Teufelspakt reloaded (5 von 5 Leselokomotiven)     

Stephen King? Weit gefehlt. Der Niederländer Thomas Olde Heuvelt wusste bereits 2017 mit »Hex« und später mit »Echo« (ebenfalls hier besprochen) zu überzeugen, mit seinem neuen Buch »November« gelingt ihm das erneut. Warum? Wieder ist das Amalgam aus Archaik, menschlichen Urängsten und Ausloten gesellschaftlicher Untiefen ein Rezept, das brillant funktioniert.   

Mit der Bird Street, einer kleinen Straße Irgendwo im Nirgendwo des Washington State, hat es eine besondere Bewandtnis: Dort nämlich wohnen nur außergewöhnlich erfolgreiche Menschen. Ein hoher Justizbeamter, eine aufstrebende Politikerin, eine erfolgreiche Autorin, ein Wunderkind am Klavier. Allen scheint alles zuzufallen. Nur einmal im Jahr, im November, wendet sich das Los: Pech und Depression breiten sich aus, eine absolute Schieflage tritt ein. Da jedes Ding seinen Preis hat, ist für eine Veränderung ein Opfer zu bringen – jemand muss sterben … 

Dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehen kann, ist dem Leser bald klar. Warum werden Anfang November von den Bewohnern alle Fenster in Richtung Garten oder Wald verrammelt, was hat es mit den seltsamen Asthaufen auf sich, die plötzlich überall auftauchen, weshalb sind die fünf Familien in dieser Straße meist eine seltsam distanzierte, punktuell dann aber doch eng verschworene Gemeinschaft? Und warum stirbt in kürzester Zeit, wer den unheilvoll-magischen Ort aus freien Stücken verlässt? 

Man ahnt es längst: Hier hat eine übersinnliche Macht ihre Finger im Spiel, die in klassisch christlicher Tradition den Namen »Teufel« trüge. Bei Olde Heuvelt bleibt die Herkunft des eigentümlichen, als »Buchhalter« betitelten Wesens, stets im Unklaren, selbst den beteiligten Figuren. Er ist einfach da, eine Urgewalt, der es zusteht, übermäßiges Glück zu schenken, Verträge zu schließen und dafür eine angemessene Bezahlung zu fordern. 

Hauptsächlich aus der Perspektive der Familie Lewis da Silva entwickelt sich eine literarische Achterbahnfahrt von solcher Rasanz und Zwanghaftigkeit, dass einem mitunter davon schwindlig wird. Aufgerufen wird in diesem intertextuellen Gewebe so Manches, und das fast beiläufig: »Faust«, »Rosmaries Baby«, »The Picture of Dorian Gray«, und in einer ironischen Volte sogar der erste Roman des Autors »Hex«. Die Tradition, in der man liest, ist also klar, wohin das Ganze führt, eröffnet erst ein wahrhaft atemberaubenden Plot-Twist ganz am Ende. 

In seiner klugen Verbindung von literarischem und spannungsgeladenem Schreiben ist dieser Roman eine echte Perle, sozusagen eines der wenigen Sahnehäubchen auf der schier endlosstöckigen Torte der Unterhaltungsliteratur. Hier gelten die zwei G, die gewissermaßen bereits Kant mit seinem Begriff des ästhetisch Erhabenen umgeschrieben hat. Genussvolles Gruseln. Prädikat: Teuflisch gut. 

Buchtipp von Astrida Wallat